Traurige Familiengeschichten (I): Isidor Schücks Onkel Siegfried Goldmann

von axelhuber

Ein Blick zurück und dann wieder nach vorne. Er eröffnet neue Dimensionen des Schreckens.

Die 1942 ermordete Hedwig Schück, geborene Neumann, und ihr 1925 verstorbener Ehemann Isidor Schück hatten Brüder, Schwestern, Onkel und Tanten. Viele Verwandte zogen im ausgehenden 19. Jahrhundert aus Schlesien und Westpreußen nach Berlin, gründeten Familien, arbeiteten, lebten. Und starben im Furor des Nationalsozialismus. Oder verschwanden spurlos.

Isidor Schücks Onkel Siegfried Goldmann wurde am 12. Juli 1850 in Schlesien geboren. Auf den Rat seines Vaters Israel Goldmann hin wurde er Postsekretär im Raum Neisse. Anfang der 1880er-Jahre lernte er die zehn Jahre jüngere Johanna Weissenberg kennen. In Zaborze gründete das junge Ehepaar eine Familie, vier Kinder kamen auf die Welt.

Mit einer kleinen Zeitungsannonce verabschiedete sich der Postverwalter Siegfried Goldmann am 1. April 1895 zusammen mit seiner Familie aus Zaborze – vermutlich nach Berlin. Es fehlen nun jegliche Familiennachrichten für 14 Jahre, aber es müssen schwere Jahre gewesen sein. Siegfried Goldmann starb am 19. Juli 1909 um 11 Uhr vormittags in der „Privatirrenanstalt Birkenhaag“ in Berlin-Lichtenrade. An Aderverkalkung.

Die Postsekretärs-Witwe Johanna Goldmann lebte fortan alleine in der Prinzenstraße 41 (ab 1919 in der Prinzenstraße 76). Als sie am 15. Juli 1928 im Krankenhaus Bethanien starb, schalteten die Kinder eine Todesanzeige.

Abschied von Johanna Goldmann. Quelle: Berliner Tageblatt und Handelszeitung, Morgen-Ausgabe, Dienstag 17.7.1928.

Abschied von Johanna Goldmann. Quelle: Berliner Tageblatt und Handelszeitung, Morgen-Ausgabe, Dienstag 17.7.1928.

Rosa Meth, geborene Goldmann, war das älteste Kind der Familie. Ab 1926 tauchte sie in den Berliner Adressbüchern in der Prinzenstraße 56 auf. Von dieser Adresse aus wurde sie am 14. Dezember 1942 mit ihrer Tochter Margot Marga Meth (geb. 8. Juli 1911) nach Auschwitz deportiert und vermutlich direkt ermordet. Auf der Transportliste finden sich unter der Adresse Prinzenstraße 56 auch noch Lotti Fliesswasser, geb. 14. Juli 1931 in Schwerin; Rosa Jurmann, geb. 1. Dezember 1933 in Wien und Judis Isaak, geb. 3. Juni 1940 in Berlin. Warum?

Nr. 505 und 506 im 25. Osttransport von Berlin nach Auschwitz vom 14. Dezember 1942: Rosa und Margot Meth. Quelle: National Archives and Records Administration, Signatur A3355, abgerufen im Internet unter http://www.statistik-des-holocaust.de/

Nr. 505 und 506 im 25. Osttransport von Berlin nach Auschwitz vom 14. Dezember 1942: Rosa und Margot Meth.
Quelle: National Archives and Records Administration, Signatur A3355, abgerufen im Internet unter http://www.statistik-des-holocaust.de/

Margarete Drucker, geborene Goldmann, war von 1910 bis 1914 in erster Ehe mit Hermann Rolinski verheiratet. Ihren zweiten Mann Georg Drucker heiratete sie am 31. Dezember 1917. Hatten die Eheleute Kinder? Georg und Margarete Drucker wurden am 28. Mai 1943 vom so genannten Siechenheim in der Auguststraße 14-16 nach Theresienstadt deportiert. Georg Drucker starb dort am 19. November 1943. Margarete Drucker überlebte das Elend in Theresienstadt. Am 18. Mai 1944 wurde sie ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert.

Nr. 31 und 32 im 90. Alterstransport von Berlin nach Theresienstadt: Georg und Margarete Drucker.  Quelle: National Archives and Records Administration, Signatur A3355, abgerufen im Internet unter http://www.statistik-des-holocaust.de/

Nr. 31 und 32 im 90. Alterstransport von Berlin nach Theresienstadt: Georg und Margarete Drucker.
Quelle: National Archives and Records Administration, Signatur A3355, abgerufen im Internet unter http://www.statistik-des-holocaust.de/

Otto Goldmann war ein tüchtiger Geschäftsmann. Ab 1924 bot er in der Prinzenstraße 76 – hier wohnte bis zu ihrem Tod auch die Mutter Johanna – elektrotechnische Installationsmaterialien an. Um 1929 zog er in die Lacknerstraße 13 in Steglitz, vertrieb Reklame-Beleuchtung und Neuheiten, stand als Generalvertreter im Adressbuch oder als Kaufmann. Oder zuletzt eindeutig als Jude diskriminiert im Telefonbuch von 1940: Otto Friedrich Israel Goldmann. Was mit Otto Goldmann und seiner Frau Rosi, geborene Schwarzmann, geschah, ist unbekannt. Vielleicht gelang die Flucht? Im Gedenkbuch sind sie nicht aufzufinden.

Letztes Lebenszeichen: Otto Goldmann im Berliner Telefonbuch von 1940 mit dem gesetzlich vorgeschriebenen, diskriminierenden Namenszusatz "Israel".

Letztes Lebenszeichen: Otto Goldmann im Berliner Telefonbuch von 1940 mit dem gesetzlich vorgeschriebenen, diskriminierenden Namenszusatz „Israel“.

Herbert Goldmann war mit Herta, geborene Homburger, verheiratet. Mehr Informationen gibt es nicht über ihn und seine Familie. Nur die Sicherheit: Herbert und Herta Goldmann stehen nicht im Gedenkbuch.

Jeder Hinweis ist willkommen!

Quellen:

Berliner Tageblatt und Handelszeitung, Morgen-Ausgabe, Dienstag 17.7.1928, S. 10.

Beerdigungs-Unterlagen Johanna Goldmann, Archiv der Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum.

Beerdigungs-Unterlagen Siegfried Goldmann, Archiv der Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum.

Rosa Meth:

http://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1119190

Margot Marga Meth:

http://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1119079

Margarete Drucker:

http://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1013327

Georg Drucker:

http://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1013638